26. Schlagermove: Zwischen Euphorie und Plattfüßen
Alle Jahre wieder kommt nicht nur der Weihnachtsmann, sondern auch der Move wieder an seinen Geburtsort Hamburg. Schlagerfans von nah und fern reisen in die Hansestadt, um ihre Musik zu feiern. Und damit rollte dieses Jahr ein Party-Tsunami auf Hamburg zu, der aber nur Liebe und kein Chaos hinterließ. Schlagerzeile® verzichtet mal auf eine seitenlange Zusammenfassung der Dinge, die positiv oder negativ waren. Vielmehr wollen wir versuchen, Euch das Gefühl des Schlagermove noch einmal zurückzuholen bzw. zu vermitteln, wie man sich bei diesem Event fühlt. Der Move zwischen Euphorie und Plattfüßen:
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Der Schlagermove fängt bei Hamburgern im Kopf schon Wochen vorher an. Herren wie Damen quält die Frage „Was ziehe ich an?“ zum Karneval des Nordens. Michael aus Hamburg-Langenhorn ist im Einzelhandel tätig und plaudert mit Schlagerzeile® ein wenig über die Vorbereitungen. „Dieses Jahr habe ich mich für ein rotes, glitzerndes Sakko entschieden“, verrät der 35-Jährige. Schlagerfans wissen natürlich sofort, an wen das erinnern soll: An Olaf, den Flipper, der zur erfolgreichen Schlagerband Die Flippers gehörte. „Ich habe tatsächlich so ein Paillettensakko im Netz gefunden“, berichtet Michael. „In knallrot, wie ein Gummiboot oder ein Flipper eben.“ Innerhalb von drei Tagen war das gute Stück bei ihm zuhause. Größe passt, Michael zufrieden.
Warum er gerade als Olaf zum Schlagermove gehen wollte, weiß er natürlich sofort. „Wir sagen dankeschön“ ist dafür verantwortlich. Denn er ist auch Fußballfan. Und Olaf hat mit Matze Knop eine Stadion-Version davon mit fußballbezogenem Text herausgebracht. „Ein eingefleischter Schlagerfan bin ich ehrlich gesagt nicht. Aber auf jeder Party sorgen nunmal gerade die Schlager aus den 70er Jahren für Stimmung.“ So sieht es für ihn und seine Freunde auch beim Move aus. „Die Stimmung beim Schlagermove ist fantastisch. Alle sind verkleidet und sehen dabei irgendwie scheiße aus. Trotzdem sind alle glücklich und feiern friedlich zusammen ein Festival der Liebe. Das erinnert irgendwie an Woodstock.“
Und das sind am Samstag stolze 400.000 Besucher, die das Herz von St. Pauli in ein endloses Farbenmeer aus schrillen Kostümen, bunten Federboas und viel zu großen Sonnenbrillen, eben in das Woodstock des Schlagers, verwandeln. Schon die Bahnfahrt zum Schlagermove ist ein Event. In der U-Bahn fast 95 Prozent verkleidete Fahrgäste, an Sitzplätze natürlich nicht zu denken. Aber dafür kann man an den schrillen Outfits unschwer erkennen, wo die Reise hingehen soll. Zum Heiligengeistfeld – wo das Festival sein Zuhause gefunden hat.
Auf dem Platz Festival-Stimmung, wo man hinsieht und -hört. 49 Trucks stehen auf dem Gelände des Hamburger Doms, und von allen Seiten dröhnt Musik – von Hits wie „Ich will ’nen Cowboy als Mann“ bis „Himbeereis zum Frühstück“. Von einem meterhohen Tower heizt ein DJ den ankommenden Gästen mit Kultschlagern ein. „Das wird heute eine coole Party“, ist sich Michael sicher, und seine Stimme klingt vom lauten Mitgrölen schon jetzt nicht mehr ganz so gut.
Um Punkt 15.00 Uhr setzt sich die Partykarawane in Bewegung. Auf den Trucks Partypeople, die Dank einiger Drinks immer mehr in Stimmung kommen. „Hossa“ schallt es von einem der Wagen. Textsicher stimmen die Schlagerfans Rex Gildos Kulttitel „Fiesta Mexicana“ an. Im Schneckentempo geht es runter Richtung Landungsbrücken, vorbei an der Reeperbahn. Statt wie sonst zur Nachmittagszeit, herrscht kein hohes Verkehrsaufkommen, sondern lauter gutgelaunte Menschen, die mächtig in Feierlaune sind.
Die Dezibelzahlen sind längst im roten Bereich. Das scheint aber niemanden zu stören. Neben, vor, hinter und auf den Trucks wird getanzt, gelacht, geflirtet und natürlich getrunken. Von einem Wagen schallt passend Rudi Carrells Frage „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“. Doch über das Wetter können sich die Hamburger an diesem vorgezogenen Schlagermove-Wochenende nicht beklagen. Es wechselte von bewölktem Himmel zu strahlendem Sonnenschein bei frühlingshaften Temperaturen. Der Alkohol fließt in Strömen. Die besungenen „Sieben Fässer Wein“ können eben doch ein wenig gefährlich sein… Da hilft auch das „ Himbeereis zum Frühstück“ nicht.
Unten an den Landungsbrücken das gleiche Bild – Gute-Laune-Menschen so weit das Auge reicht. Wie es sich für das Fest der Liebe gehört, prostet man sich zu und liegt selbst wildfremden Menschen in den Armen. Weiter geht es Richtung Fischmarkt, dem ehemaligen Startpunkt. Pascal Krieger tanzt an den Landungsbrücken zu Chris Roberts‘ “Du kannst nicht immer 17 sein“. Und wie man es vom Moderator der Schlagernacht am Kalkberg gewöhnt ist, hat er wieder zwei attraktive Damen im Arm. Naddel und Andreas Ellermann feiern auf dem Bild-Truck ihren Schlagerabschied aus gesundheitlichen Gründen. Olaf Henning und Gaby Baginsky geben sich ebenfalls die Ehre.
„Boah, ist das anstrengend von Truck zu Truck zu pendeln“, stöhnt Thomas, Michaels bester Kumpel. Will man mal kurz einen anderen Wagen begleiten, heißt es Laufen oder Warten. Die beiden Männer entscheiden sich für Bewegung, schieben sich also gegen den Strom zum nächsten Fahrzeug mit der höheren Nummer. Dabei gibt es jede Menge Körperkontakt, und der Schrittzähler der Smartwatch glüht: Tagesziel um ein Vielfaches überschritten, und das bereits um 16.30 Uhr. „Ist gut für die Figur“, witzeln sie. „Da passt ein Bierchen mehr rein.“
Was nervt, sind Privatpersonen entlang der Strecke, die in Einkaufswagen zu teure Getränke und Fressalien zu komischen Preisen anbieten. Wohltat und Segen zugleich: Die Pfandsammler. Sie entlasten die Stadtreinigung. Einige unter ihnen haben allerdings neue Methoden für sich entdeckt. Statt Dosen und Flaschen zu suchen, fordern sie die verkleidete Gemeinde auf, ihr Leergut in Einkaufswagen und Mülltüten zu werfen. Will man sein Pfand behalten, fängt man sich schon mal den einen oder anderen bösen Kommentar ein.
„Ich habe Plattfüße, und es ist tierisch heiß“, beginnt Thomas zu quengeln. Mittlerweile ist er über drei Kilometer Slalom durch die Menschenmassen gelaufen. Tapfer halten die Männer jedoch durch und besuchen natürlich auch die After-Show-Party, auf der Schlagerlegende Bata Illic live on Stage zu sehen ist. Ein weiteres Highlight: Daniela Radloff, das wohl weltbeste Andrea-Berg-Double. Optisch ein Hingucker und stimmlich nicht vom Original zu unterscheiden, ist Daniela neben Bata unser Schlagerstar des Abends. Sie ist eben „Viel zu schön um wahr zu sein“, und auch, wenn die Gefühle Schweigepflicht haben, sind wir musikalisch ein wenig frisch verliebt. Aber dazu im Bericht zur After-Move-Party mehr. Während Andreas Gabalier am Kalkberg in Bad Segeberg spielte, schaute sein Double Kevin beim Move vorbei. Dazu ebenfalls im zweiten Bericht mehr.
Für die medizinische Betreuung waren die Johanniter mit anderen Hamburger Hilfsorganisationen gemeinsam 284 Mann und Frau stark vor Ort. Während des gesamten Umzuges kam es bei 400.000 Menschen nur zu 356 Einsätzen. Das sind nur 0,1 Prozent betroffene Gäste, liebe Morgenpost. Kein Grund also, hier irgendwelche Zahlen aufzubauschen. Meistens handelte es sich um kleinere Verletzungen, Kreislaufschwächen sowie Schnittwunden. Ernste Zwischenfälle gab es laut Nino Berkhan, Einsatzleiter der Johanniter Hamburg, nicht. Die Stadtreinigung machte sich sofort nach dem Schlagermove auf den Weg, um Hamburg wieder strahlen zu lassen.
Wir halten es daher erstmal wie die Flippers. „Wir sagen dankeschön“ an Frank Klingner und sein gesamtes Schlagermove-Team für ein unvergessliches Schlagerwochenende in unserer Heimatstadt. Für alle Schlagerfans schon mal der Termin für 2025. Die 27. Auflage des Schlagermove findet am 4. und 5. Juli 2025 statt – save the Date!