Udo Jürgens – Nur die Liebe zählt
Im Dezember 2014 hielt die Schlagerwelt den Atem an. Völlig unwerwartet verstarb Schlagerlegende Udo Jürgens. In der NDR-Talkshow sprachen am Freitag seine Kinder Jenny und John Jürgens über ihren Vater, seine Musik und darüber, welche Erinnerungen sie mit Papa Udo verbinden.
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Sieht man John Jürgens an, wird eines sofort klar: Der 58-Jährige hat unglaublich viel von seinem Vater mitbekommen. Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt fragte John, ob er diesen Vergleich noch hören kann, oder ob es ihn gar belastet: „Was sagst Du dazu, wenn ich sage, ein bisschen Udo Jürgens sitzt gerade vor mir?“
„Es ist heute überhaupt nicht mehr belastend“, berichtet Sohn John, „es ist mir eine große Ehre.“ Dann hält der DJ kurz inne und fügt erstaunt hinzu: „Sehe ich wirklich so gut aus wie der Papa?“, schmunzelt er und amüsiert das Publikum der Talkrunde. „Nee, der Papa hat ausgesehen, dass ich mich hätte immer hinschmeißen wollen. Ich meine auf Covers oder auf Fotos, der Typ war einfach unglaublich!“ Meyer-Burckhardt: „Ein Bild von einem Mann!“
Jenny Jürgens hingegen ist ihrer Mutter Panja wie aus dem Gesicht geschnitten.
Was entdeckst Du, Jenny, an Deinem Bruder für charakterliche Seiten, die Du von Deinem Vater kennst?
„Ja, gerade heute habe ich ihn beobachtet“, gesteht Schwester Jenny, „wie er in der Garderobe saß, seine Bewegungen und seine Mimik. Ich sage es ihm selbst ganz oft. Da sieht er aus wie der Papa. Und wenn Du sagst, hier sitzt ein bisschen Udo, dann stimmt das. Wir sind sein Fleisch und sein Blut. Wir sind seine Familie, und das leben wir auch ganz stark.“
Jenny überlegt kurz, was John genau von seinem Vater hat. „Ich glaube, wir haben alle so ein bisschen von ihm, dass wir albern sind. Infantilität ist meine Droge, um das alles auszuhalten. Und ich habe auch einen Mann, der das alles sehr gut mitmacht.“
John, gibt es bestimmte Momente, in denen Du Dich Deinem Vater nah fühlst?
„Morgens, wenn ich ins Bad komme und plötzlich in den Spiegel schaue und mich erschrecke, weil ich irgendwie ihn sehe. Da fühle ich mich meinem Vater schon sehr nah. Und natürlich auch, wenn ich seine Musik höre. Einfach in Erinnerungen schwelgen an die Zeit, die man zusammen verbracht hat, wo auch immer auf dieser Welt, wann immer sich unsere Wege gekreuzt und wir Zeit miteinander verbracht haben. Was zwar häufig nicht lange war, aber intensiv.“
Wolltet Ihr jemals einen Vater haben, der nicht im Rampenlicht steht und abends um 17.30 Uhr zuhause ist?
„Da macht man meiner Meinung nach eine Wertung auf“, merkt Jenny Jürgens an, „welcher Vater gut oder weniger gut ist. Ich denke, das ist alles unwichtig. Es gibt nur eine Sache, die zählt, und das ist Liebe. Liebt man sich, hat man sich geliebt?
Da wir es auch nicht anders kennen, dass unser Vater seit unserer Geburt sehr viel abwesend war, waren wir das gewohnt. Wir sind damit aufgewachsen. Bei uns herrschte viel Liebe. Und deshalb würde ich trotz aller Abstriche, die man machen musste, immer sagen, dass wir einen ganz tollen Vater hatten.
Jetzt ist die Frage: Hat ein Kind, das seinen Vater jeden Abend nach 10 Stunden am Bett erschöpft sieht, mehr vom Vater? Ich möchte mir nicht erlauben, das zu werten, sondern wie John gerade sagte, die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, genießen. Die Zeit war immer super intensiv. Es waren immer sehr, sehr lange Abende. Das waren die längsten Abende meines Lebens.“
Dabei gab es viel Gin Tonic?
„Gin und Wodka Tonic. Das war das Vater-Tochter-Getränk.“
Auch Angelo Kelly, der Talkgast beim NDR war, erinnert sich an Udo Jürgens:
„Wir waren häufig in den selben Shows. Ich muss sagen: Euer Vater war ein wahnsinniger Gentleman! Alle haben ihn nur bestaunt. Es gibt da so ein paar Momente, die ich nie vergessen werde. Udo Jürgens war eine Person, die was ausstrahlte. Das habe ich damals schon als kleiner Knirps gespürt, ohne zu wissen, wie groß er eigentlich ist.“
Ilja Richter lernte in seiner Zeit als Moderator die Legende kennen – beim Karneval.
„Ja, und nach der Karnevalssitzung – darf ich das überhaut vor den Kindern erzählen? Nach der Karnevalssitzung gab es nochmal eine Sitzung mit 6 bis 10 Funkenmariechen. Es war eine Karnevalssitzung in Porz, und ich weiß nur noch, dass es an der Rezeption auf einmal sehr laut war. Ich war bereits zu Bett gegangen, bei mir war im Zimmer nicht sehr viel los, muss ich sagen. Ich war mal wieder Alleinunterhalter. Die Mütter und Väter standen versammelt und forderten: ‚Wenn Herr Jürgens nicht sofort unsere Töchter freigibt…‘
Letztendlich kamen die Funkenmarichen runter, und die Polizei wurde nicht verständigt. Meine Situation war damals die: Mir hätte schon eins gereicht.“
Nach dem Tod gab es langwierige Schwierigkeiten mit dem musikalischen Nachlass. Das ist mittlerweile beigelegt. Das heißt, Ihr seid im Großen und Ganzen frei.
Jenny Jürgens: „Das große Problem, wie kommt das Werk in die Familie oder wie kann es in der Familie verbleiben, hat sehr viele Jahre gedauert. Jetzt wollen wir nach vorne sehen, und wir haben es mit sehr vielen richterlichen Beschlüssen schwarz auf weiß.“
Es war ein jahrelanger Kampf, und wenn man Euch sieht, weiß man: Ihr seid ein eingeschworenes Geschwisterpaar. Hat Euch das alles noch mehr zusammengeschweißt?
John Jürgens: „Wir waren als Kinder, auch, wenn wir uns mal gefetzt haben, immer schon ein stark verbundenes Geschwisterpaar. Wir haben viele Stationen zusammen erlebt. So waren wir gemeinsam in einem Internat. Wir waren immer sehr eng.“
Jenny Jürgens fügt hinzu: „Wir konnten uns schon immer gut verstehen, ohne viel erklären zu müssen. Wir haben immer gewusst, wie der Andere sich fühlt. Auch, wenn uns Menschen häufig mit wahsinnig vielen Vorurteilen entgegengekommen sind. Das war von der Schulzeit bis heute so. Jetzt sind wir erwachsen und können viel besser damit umgehen. Durch das ganze Freud und Leid sind wir auch mit unseren Partnern alle eine ganz eingeschworene Familie.“
Ilja Richter meldet sich zu Wort: „Auch, wenn ich förmlich vorhin gezwungen wurde, die Gesichte zu erzählen, sieht man, wenn man Euch anschaut, dass er ein guter Vater war.“
Am 16. Dezember kommt bei Sony eine tolle neue 3er CD-Box raus. Mit „Da Capo“ habt Ihr ein Gesamtwerk gemacht mit vielen unveröffentlichen Songs. Worauf dürfen sich alle Udo-Fans freuen?
John Jürgens: „Es ist eine Trilogie, die angefangen hat mit ‚Merci Udo‘ 1 und 2. Jetzt kommt ‚Da capo Udo Jürgens – Stationen einer Weltkarriere‘. Es sind insgesamt 61 Songs, die wir zum Teil alle kennen. Aber es sind auch Songs drauf, die wir so noch nicht kennen – unveröffentlichte Stücke, Songs, die es bisher nicht auf CD gab, oder Lieder, die so noch nicht präsentiert wurden.“
Gab es bei der Zusammenstellung Momente, in denen Ihr traurig wart?
Jenny: „Uns war es wichtig, jetzt nicht wieder ein ‚Best of‘ rauszubringen, von dem die Fans nur sagen ‚Jetzt wollen sie nur, dass ordentlich die Kasse klingelt‘. Wir wollten mit ‚Da capo‘ einen emotionalen Bogen spannen, über Udo’s Leben, aber auch über wichtige Stationen seines Lebens – nicht chronologisch mit besonderen Ereignissen aneinandergereiht.
Ich glaube auch, dass es uns gelungen ist. Wir haben die Songs gemeinsam mit Sony Music Deutschland ausgesucht. Da sind auch mal zwei Nummern nicht auf’s Album gekommen. Für uns war immer wichtig, was Papa jetzt gemacht hätte, wenn er hier sitzen würde. Wir kannten ihn ja gut und wussten auch, welche seiner Songs er nicht so gut fand. Wenn Udo uns jetzt sehen oder spüren kann, soll er sagen können: ‚Kinder, das ist alles so okay, wie ihr es macht.‘
Für uns ist es in erster Linie eine Verneigung und ein Danke von uns Kindern an unseren Vater, der uns auch so wahnsinnig viel geschenkt hat – Menschlichkeit und eine große Unabhängigkeit.“
John: „Er hat uns gewisse Werte mit auf den Weg gegeben.“
Jenny: „Und natürlich ein großes Dankeschön an die Fans, ohne die es Udo auch nicht gegeben hätte.“
Hat Papa gern gelobt?
Jenny: „Ja, er hat mehr gelobt als was anderes. Ich weiß nicht, ob er manchmal geschwindelt hat, damit wir glücklich sind.“
Du hast ja mit Deinem Vater „Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden“ gesungen…
„Das Lied, das jetzt auch als Vorabsingle erschienen ist, ist in einer Live-Version enthalten, wie sie noch nie erschienen ist.“
Um welche Version handelt es sich?
„Es ist eine Fernsehshow aus Hannover“, verraten Jenny und John.
Insgesamt sang Jenny drei Duette mit ihrem Vater. Danach griff sie nicht mehr zum Mikrofon.
„Ich bin ja eigentlich auch keine Sängerin“, berichtet die erfolgreiche Schauspielerin. „Es wurde mir technisch ganz schön unter die Arme gegriffen. Das war süß.
Aber es ging bei ‚Liebe ohne Leiden‘ auch gar nicht darum, dass ich so toll singe. Es ging darum, das Gefühl zu transportieren, das die Tochter ihrem Vater gibt und umgekehrt. Der Platz des Sängers war in der Familie schon besetzt.“
John: „Das Tolle an der Version war, dass sie live war. Es konnte also gar nicht daran geschraubt werden. Es ist Jenny, wie sie leibt und lebt.“
Jenny: „Ich hatte ja auch gar nichts richtig anzuziehen. Ich war immer mit zerissenen Jeans unterwegs. Ich sagte: ‚Papa!‘ Also gingen wir los und kauften den Spaceanzug. Ich war 18. Papa nahm immer meine Hand. Er hatte kalte und ich klatschnasse Hände. Er sagte immer: ‚Heute machen wir keine Gefangenen! Wir legen alle um.'“
Während sich Deine Schwester aus der Musik zurückzog, bist Du, John, der Musik immer treu geblieben…
„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Meine Leidenschaft ist die Musik, die sich dann in der Form von Auflegen ausgedrückt hat“, erklärt John, der als DJ John Munich auflegt.
Jenny macht sich gerade nach 30 Jahren Schauspielerei als Fotografin einen Namen. „Ich habe die Fotografie für mich entdeckt. Hatte dieses Jahr meine erste Vernissage. Nächstes Jahr werde ich in der wunderbaren Galerie ‚Livia Lisboa‘ in Hamburg ausstellen.“