Nicole, NDR-Talk, ©Fracasso

Nicole: Noch immer der Charme von damals

Die Schlagerlegende über Erfolg und Neustart

600 Millionen Menschen saßen am 24. April 1982 vor dem Fernseher, als Nicole als erste Deutsche überhaupt mit ihrer weißen Gitarre den Eurovision Song Contest gewann. In der NDR-Talkshow sprach Nicole gestern über den Tag, der ihr Leben für immer veränderte, und ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum.


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Nicole, NDR-Talk, ©Fracasso
Nicole, NDR-Talk, ©Fracasso

Macht es Dir heute immer noch genauso viel Spaß, auf der Bühne zu stehen, wie damals?

„Ja“, antwortet Nicole nach kurzem Überlegen. „Ich habe meinen Beruf niemals als reinen Beruf gesehen, sondern immer als Berufung. Das stellte ich schon ganz früh fest. Ich hatte meinen ersten Auftritt im Alter von 4 Jahren, auf dem Arm eines französischen Offiziers. Ich sang damals ‚Ein Student aus Uppsala‘. Das war zu der Zeit wirklich ein großer Hit in Deutschland. Ich bekam ganz viel Applaus von den Soldaten. Es war Tag der offenen Tür in der Kaserne. Irgendwie wusste ich da, wo meine Reise hingeht.

Als ich 7 Jahre alt war, trat ich in einem Ausflugslokal bei uns auf. Jedes Wochenende habe ich dort in einer Band gesungen.“

Hat Dir das auch geholfen bei dem Auftritt vor 600 Millionen Menschen beim ESC? Oder war Dir das da noch gar nicht wirklich klar? Hattest Du damals die selbe Selbstverständlichkeit wie bei Deinen anderen Auftritten?

„Ich sag mal, mein Alter war ein großer Vorteil. Wenn man jung ist, überlegt man nicht. Man tut es einfach. Es war immer mein großer Wunsch, irgendwann einmal in die Hitparade zu kommen. Als Kind saß ich vor dem Fernseher, wir waren zu viert, ich hatte noch drei Geschwister, wir saßen alle zusammen in der Badewanne, weil wir Wasser sparen wollten. Ich wollte immer als erste aus der Badewanne, weil ich mir den Sessel vor dem Fernseher sichern wollte.

Als ich mir die Hitparade ansah, sagte ich immer: ‚Irgendwann mal werde ich da auch auftreten. Und irgendwann werde ich auch mal für Deutschland beim Song Contest mitmachen.‘ Das waren meine Kindheitsträume.“

Bei Dir wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert. Hat sich dadurch Dein Verhältnis zum Leben und zum „Jetzt“ verändert?

Nicole wirkt sehr nachdenklich und antwortet: „Ja, hat es! Ein Arzt hat zu mir gesagt: ‚Sehen Sie diese Krankheit als Chance. Sie werden danach viele Dinge anders sehen, anders machen. Sie werden eine andere Weltanschauung bekommen, und sie werden, wenn es überstanden ist stärker aus Ihrem Herzen und Ihrer Seele hervorgehen, als Sie es sich vorstellen können.‘ Ich muss wirklich sagen, er hatte Recht.

Ich war ein Mensch, der immer gegeben hat, wollte, dass es Menschen immer gut geht. Wenn es mal jemandem nicht gut ging, habe ich immer geholfen, halt ein Helfersyndrom. Ich dachte immer, wenn ich was Gutes tue, bekomme ich es irgendwann auch zurück.

Nach dieser Krankheit bin ich einfach auch auf dem Stand ‚Nein! Ich bin wichtig! Ich muss wissen, was für mich richtig ist, ich muss mich gut fühlen.‘ Dann überträgst du es auch auf andere. Man muss nicht zu jedem immer nur nett sein. Man darf nicht vergessen, an sich zu denken.“

Hast Du durch diese Krebserkrankung Dein Leben mehr aufgeräumt?

„Ja, es ist in der Tat so! Wenn du nicht weißt, ob du das nächste Weihnachten erleben wirst, dann macht es was mit dir. Du wirst nie mehr die selbe Person sein. Aber du wirst anfangen zu überlegen: ‚Was habe ich mir bisher eigentlich gegönnt?‘

Du gehst in ein Kaufhaus rein, siehst einen tollen Pullover und denkst: ‚Boah, ist der teuer!‘ Dann gehst du an die Kasse, und im letzten Moment überlegst du: ‚Brauchst du den wirklich?‘ Und ich hänge ihn zurück und denke nachher: ‚Der wäre aber doch schön gewesen.‘ Wenn ich jetzt igendwo etwas Tolles sehe – es muss gar nicht viel Geld kosten – denke ich auch mal: ‚Wenn es dir jetzt gut tut, dann mach es doch einfach.'“

Wer oder was war Deine wichtigste Stütze?

„Meine Familie. Mein Mann, meine Geschwister, zu denen ich jetzt noch ein viel innigeres Verhältnis habe, und eine Handvoll Freunde. Und übrigens: Hape ist ein langjähriger Freund von mir. Er war einer der Wenigen, die davon von Anfang an wussten. Auch Heinz Rudolf Kunze, mein großer Bruder.

Das ganze Dorf, es ist unglaublich, alle haben geschwiegen. Ich meine, einen haben wir immer, der was verrät. Aber ich habe es geschafft, ein Jahr und 4 Monate lang diese Krankheit geheim zu halten, und das ganze Dorf hat ein Schutzschild um mich rum gebaut, und es hat mich niemand verkauft. Und da zieh‘ ich, liebe Neunkirchener, meine lieben Mitbürger, den Hut, dass ihr mich nicht verraten habt. Das ist echt unglaublich“, berichtet Nicole stolz unter Tränen.

Du gehst jetzt wieder auf Tour. Mit mehr oder weniger Lampenfieber?

„Es ist immer eine gewisse Portion Lampenfieber dabei. Jeden Abend, jedes Mal um zehn vor acht, frage ich mich, warum ich das mache. Da wechselt sich Panik ab mit Fluchtgedanken. Man sucht das Toilettenschild, obwohl man dort gerade war. Aber spätestens um fünf nach acht weiß ich, warum. Ab dann möchte ich mit keinem tauschen.

Im September geht es los. Ich freue mich wirklich, denn ich bin auf der Bühne zuhause, und wenn ich die Menschen dann sehe, die gerade in der aktuellen Situation mich schon um zehn vor acht rausklatschen, weil sie sich so freuen, dass ich es vielleicht geschafft habe, dann habe ich PiPi in den Augen und bin einfach nur überwältigt. Dann will ich einfach nur raus und was zurückgeben. Es ist jedes Mal, wenn ich von der Bühne gehe, das gleiche. Das Publikum steht, wenn ich komme und gehe“, so Nicole mit Tränen in den Augen.

„Das ist so ein Gefühl, da möchte man als Künstler mit keinem tauschen. Die Sympathie und Resonanz, die dir entgegengebracht wird, diese Welle, ist so eine Kraft, die einem selbst Kraft zurückgibt. Ob da jemand sitzt, der heult mit einem Taschentuch in der Hand, weil er froh ist, mich zu sehen, oder ein anderer, der heult, weil ihn der Text gerade so berührt. Das sind so Dinge, eine Kommunikation zwischen dem Publikum und mir, wir sind dann irgendwie connected.“

Als Nicole zum Abschluss des Interviews noch auf Wunsch von Hinnerk Baumgarten „Ein bisschen Frieden“ auf Russisch anstimmt, applaudiert das Publikum. Spätestens jetzt wissen alle, Nicole hat immer noch den Charme des 17-jährigen Teenagers, der mit der weißen Gitarre 600 Millionen Menschen vor den Bildschirmen fesselte. Nicole, wir freuen uns auf Deine Tour!

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