Interview mit einem fantastischen Duo
Martin Hein und Fredi Malinowski begeistern als Fantasy seit über 25 Jahren ihre Fans. Zum neuen „Best of“-Album sprachen sie mit Schlagerzeile über ihr Schlager-Märchen. Hier das komplette Interview:
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Es gibt Schlagerkarrieren, die könnte man mit „Es war einmal…“ beginnen. Heute können der gebürtige Pole Martin Hein und sein kroatischer Bandkollege Fredi Malinowski auf eine märchenhafte Schlagerkarriere zurückblicken, an der Schlagerkönigin Andrea Berg nicht ganz unbeteiligt war.
Martin und Fredi lernten sich 1993, also vor genau 30 Jahren, kennen. Beide waren bereits als Solokünstler unterwegs und beim selben Management unter Vertrag. Daduch liefen sie sich relativ häufig über den Weg, und jeder stand als Solokünstler im Rampenlicht.
1997 sollte sich das Leben der beiden Herren ändern. Aus Martin Marcell und Freddy März wurde ein Schlagerduo, ihre erste Single „Herz gesucht“.
Wer genau hatte die Idee, aus zwei Solokünstlern ein Duo zu machen, Euer Manager? Und wart Ihr von Anfang an beide davon überzeugt?
„Ich war schon damals mit Fredi befreundet und hatte ein Management, das sehr viele Auftritte in Nordrhein-Westfalen arrangiert hat“, erinnert sich Martin. „Er war nicht nur Manager, sondern auch Journalist für Printmedien.
Fredi war damals auf der Suche nach einem Manager. Also sprach ich mit meinem, ob er auch was für Fredi tun könne. Er war sofort bereit, auch Fredi unter Vertrag zu nehmen. Natürlich hat er dann versucht, uns beide an seine Veranstaltungen zu verkaufen.
Viele Jahre traten wir so nacheinander auf diversen Festen auf. Wir haben sozusagen schon sämtliche Veranstaltungen zusammen alleine bestritten. Eines Tages bei einem Auftritt in Bochum sagte der Veranstalter uns, dass alles sehr eng getaktet sei.“
Im Klartext hieß das für beide Solokünstler: Sollte eine Zugabe gefordert werden, ist diese aus Zeitgründen nur zusammen möglich.
„Die Zugaben wurden gefordert“, erklärt Martin. „Also stellten wir uns beide auf die Bühne und sangen ‚Nun sag schon Adieu‘. Das war ein Song, den wir beide kannten und im Programm hatten. Als wir den Titel zusammen gesungen haben, war das Publikum begeistert. Damit hatten wir in der Form nicht gerechnet.
Da entstand die Idee, auch gemeinsame Auftritte neben unseren Soloauftritten zu machen. Das war eigentlich die Geburtsstunde von Fantasy.“
Und wie ging es dann weiter?
„Nachdem wir als Duo verkauft wurden, gab es so eine große Nachfrage, dass wir unsere Solokarrieren an den Nagel hängen mussten.“
Ihr konntet Euch auch gleich mit dem Gedanken anfreunden, gemeinsam auf der Bühne zu stehen?
„Klar, es hat ja auch Spaß gemacht. Die ganze Bühnenarbeit wurde leichter. Es hat sich wirlich so spontan entwickelt, und wir haben stark improvisiert. Das wurde dann irgendwann auch unser Markenzeichen.“
Nachdem feststand, dass Martin und Fredi künftig zu zweit unterwegs sind, musste ein Künstlername gefunden werden. Um in einer entspannten Runde Großes entstehen zu lassen, gingen sie gemeinsam in ein Gasthaus, um den Namen zu finden.
Kamen im Gasthaus überhaupt keine Ideen für einen passenden Namen zusammen, oder konntet Ihr Euch nicht einigen?
„Wir saßen im Gasthaus und haben ein wenig rumgesponnen. Jeder Name war am Anfang irgendwie fremd. Und so wirklich kamen wir nicht auf einen grünen Zweig. Das Einzige, was einigermaßen stimmig war, war ‚März & Marcell‘, denn Fredi nannt sich als Solokünstler Fredi März, und ich war solo als Martin Marcell unterwegs.
Nach dem dritten Bier sagte unser Manager: ‚Ihr steht auf der Bühne, ihr singt, ihr schreibt Songs und komponiert. Ihr seid so kreativ, habt ihr denn keine Fantasie?!‘ Wir schauten uns an, der Name war gefunden.“
Alle hielten inne, und der Rest ist Geschichte.
„Allerdings hatten wir am Anfang mit den Radiostationen Probleme. Fantasy war für sie ein englischer Name, der nicht greifbar war. Was ist Fantasy, ein Zauberduo oder ein Animationsduo?
Ich erinnere mich an eine lustige Geschichte auf Mallorca. Dort sind wir im Riu Palace aufgetreten und hatten unser erstes Engagement. Wir haben uns darüber sowas von gefreut. Nachmittags liefen wir zu der Disco, um zu proben. Die gesamte Playa war voller Flyer. Auf den Flyern stand Olaf Henning und auf der anderen Seite: ‚Die fantastischen Zwei‘.
Ohne uns zu fragen, haben sie uns umbenannt. Bei dem Stellenwert, den wir damals hatten, wären wir auf jeden Fall trotzdem aufgetreten. Umbenannt haben sie uns, weil auf Mallorca eine sehr bekannte Travestie-Gruppe unterwegs war, die auch Fantasy hieß.“
285 Wochen sind Fantasy während der letzten Jahre in den Album-Charts vertreten. Weit über 2 Millionen Tonträger haben sie in ihrer Karriere bisher mit mehr als zehn Alben verkauft.
Ihr schreibt sehr viele Texte und komponiert die Musik selbst oder wirkt zusammen oder alleine daran mit. Ihr habt auch schon mit Größen wie Dieter Bohlen, Drafi Deutscher, Stefan von den Schlagerpiloten zusammengearbeitet. Mit wem war die Zusammenarbeit am angenehmsten, und gibt es zu einer Produktion eine nette Anekdote, die Ihr nie vergessen werdet?
„Es ist ja nicht so, dass wir irgendwelche Namen bewusst dazuholen. Generell schreiben und komponieren wir selbst. Wir bekommen aber regelmäßig auch Songangebote. Wenn uns ein Text und eine Melodie auf Anhieb gefallen, dann sagen wir ‚Wow‘ und schlagen zu. Wenn manche Melodien und Harmoniebögen so liegen, dass sie Fantasy-untypisch sind, dann verändern wir sie natürlich. Ebenso wie beim Text – passt etwas nicht, wird es umformuliert.“
Seid Ihr Euch immer einig, welche Titel auf ein Album kommen?
„Eigentlich schon. Nach so vielen Jahren wissen wir, was uns gefällt und was die Fans lieben. Wir haben bei Telamo auf jedem Album fast 16 Songs. Wenn da mal einer dabei ist, der Fredi besser gefällt als mir, werden wir uns immer einig.
Das Album mit Dieter Bohlen bleibt mir noch lange in Erinnerung. Wenn wir selber produzieren, gehen wir ins Studio und arbeiten. Es wird überlegt und probiert. Dann werfen wir vieles über den Haufen. Die Zeit vergeht wie im Flug, und wir verabreden uns für eine weitere Woche im Studio.
Anders läuft das bei Dieter Bohlen. Titel geschickt – ja, okay. Wenn wir es nicht okay fanden, konnte man nicht darüber reden. Denn er macht die Hits. Dann haben wir die Titel gehabt, sind zwei Tage nach Hamburg gefahren, Album fertig.“
Also eine etwas andere Arbeitsweise?
„Das war von morgens bis abends singen. Wenn wir meinten, da fehlt noch ein wenig Gefühl und da kann man noch dran rumschrauben, sagte Dieter: ‚Es ist gut so. Den Rest macht der Computer.'“
Doch auch, wenn Fantasy nun gemeinsam Musik machen, blieb der Erfolg am Anfang aus. Der Durchbruch sollte erst 2012 folgen, als sie als Vorband von Andrea Berg auftraten.
Wie wurde Andrea Berg auf Euch aufmerksam? Und was habt Ihr heute für ein Verhältnis zueinander?
„Wir haben für Andrea Berg die Vorgruppe gemacht. Dadurch konnten wir uns ein Riesenpublikum erspielen. Das war das Eine. Der Erfolg war da noch weit weg. Wir wechselten zu Sony Music, Andreas Mann, Uli Ferber, übernahm unser Management.
As Branchenneulinge hatten wir tatsächlich Angst, Verträge ohne Beratung zu unterschreiben. Wir konnten von 2 bis 20.000 alles unterhalten, aber von Vertragsangelegenheiten hatten wir keine Ahnung. So kam die Verbindung mit Andreas Mann zustande.
Unser erstes Album von Sony brachte dann den ersten Achtungserfolg. Selbst Sony war erstaunt, dass so viele Tonträger verkauft wurden. Danach ging es schon los mit dem weißen Boot, und der Rest ist Geschichte.“
Nachdem Fantasy so ihre Musik einem breiten Publikum bekanntmachen konnten, nahm nach einem Managerwechsel und einer neuen Plattenfirma die Karriere an Fahrt auf, und sie wurden zu einem der beliebtesten Duos des Genres.
2014 schaffte es „Eine Nacht im Paradies“ als erstes Fantasy-Album an die Spitze der Charts. Weitere ebenso erfolgreiche Alben folgten.
Was war es für ein Gefühl, das erste Mal die Charts anzuführen? Dabei auch einer Eurer Dauerbrenner, „Darling“. Weißt Du, wo Fredi diesen Song geschrieben hat?
„Wir haben uns selber soweit gar nicht gesehen. Das erste Sony-Album ging bis auf Platz 89 der Albumcharts. ‚Eine Nacht in Paris‘ ging bis auf 1. Wir waren sprachlos und konnten es nicht fassen, als unser Manager sagte, wir gehen auf Tournee.
Überrascht fragte ich, was Tournee bedeutet? ‚Ich habe mit dem Veranstalter Hallen gebucht‘, war die Antwort. Ich fragte vorsichtig, wer denn mit auf diese Tour käme. Als Anwort bekam ich ‚Nur ihr‘ zu hören.“
Ich hatte starke Bedenken und antwortete: ‚Wir gehen doch nicht alleine in eine Stadthalle. Dann sitzen da nachher nur zehn Menschen.‘ ‚Die Leute beobachten das ganz anders, mach dir keine Sorgen‘, bekam ich zu hören.
Nach 30 bespielten Hallen kam Herr Semmelmann auf uns zu und sagte: ‚Wir haben noch einmal 15 Hallen nachgebucht, weil wir sonst viel Publikum vetrösten müssen, dass es keine Karten mehr gibt.‘ Das war für mich nicht greifbar und unvorstellbar.
‚Darling‘ schrieb Fredi damals zuhause für seine Mutter. Sein Vater starb, als er sieben Jahre alt war. Weil seine Mutter keinen Lebensgefährten mehr hatte, dachte sich Fredi, dass es doch schön wäre, wenn ihr trotzdem jemand nette Dinge wie ‚Du hast dich heute schön gemacht‘ sagen würde. So entstand ‚Darling‘ für seine Mutter.“
„Darling“ füllt immer die Tanzflächen, haben wir als DJ gemerkt…
„Bei einem Live-Konzert ist das genauso. Egal, wie müde das Publikum ist, ‚Darling‘ macht es wieder wach.“
Laut unserer Recherche soll das „Best of – 10 Jahre Fantasy“ Euer erfolgreichstes Album mit 420.000 verkauften Einheiten sein. Glaubt Ihr, dass Euer neues „Best of“ diese oder sogar bessere Zahlen erreichen kann?
„Ich denke, an den Erfolg anzuknüpfen, wird schwierig. Der Musikmarkt hat sich verändert. Die Absatzzahlen der Alben werden von Jahr zu Jahr immer geringer. Das beoabachten wir auch bei Fredis Sohn Sandro und meiner Frau Mela Rose.
Das fängt schon bei den Musikshows an, deren Vielfältigkeit stark geschrumpft ist. Die Streamingdienste tun ihr Übriges. Ich würde mir wünschen, dass unser Album ‚Das Beste‘ ebenso erfolgreich wird. Aber ich bin Realist und sehe es als schwierig an.“
Du hast gerade Deine Frau erwähnt. Martin, auch nochmal von uns herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit. Wird es auch mal eine musikalische Verbindung mit Deiner Frau Mela geben?
„Mela veröffentlicht im November ihr Album, Sandro im Januar 2024. Und auf den Alben von Fantasy, Mela und Sandro ist jeweils ein Song, wo ich mit meiner Frau ein Duett singe und Fredi mit seinem Sohn.“
Wie heißt der Song?
„Der Song von meiner Frau und mir heißt ‚Gold und Silber.'“
Was war der schönste Moment Eurer Hochzeit?
„Der schönste Moment war für mich tatsächlich, als meine Frau in die Kirche kam.“
Was hast Du in dem Moment gedacht?
„Ehrlich? Mir ist ein Haufen Steine vom Herzen gefallen. Es sind im Vorfeld skurille Dinge passiert. Ein Brautkleid wurde gekauft, dreimal umgenäht. Als meine Frau es in dem Laden in Berlin abholen wollte, hieß es: ‚Sorry, wir haben das Kleid aus Versehen verkauft. Wir haben aber noch ein ähnliches Modell da.‘
Wir fuhren zu meiner Cousine nach Polen, die dort Brautläden hat. Meine Frau suchte sich ein neues Kleid aus, welches natürlich auch wieder geändert werden musste. Dann bekam sie kurzfristig eine Nachricht, dass nicht alle Änderungen wie gewünscht geklappt hätten. Und diese Odyssee war nur eine Kurzfassung. Es war eine riesige Katastrophe mit diesem Brautkleid.
Als ich sie dann in dem Kleid in die Kirche kommen sah, hab‘ ich nur gedacht: ‚Jetzt hat sie endlich das, was sie wollte.‘ Wie schön das Kleid war, hat mich völlig überwältigt. Es hat überall geglitzert und in der Kirche geleuchtet wie ein Diamant. Da konnte die Hochzeit für mich endlich losgehen.“
Auf „Das Beste“ habt Ihr allen Titeln ein neues Gewand verpasst. Welcher Song ist Dein Favorit? Sind die neuen Versionen besser oder einfach nur anders?
„Titel wie ‚Ein weißes Boot‘ sind schon über 15 Jahre her. Da hat sich die Musik natürlich auch weiterentwickelt. Andere Künstler machen das genauso. Wenn ein Titel mittlerweile etwas angestaubt ist, dem Publikum aber noch gefällt, wird er der Zeit angepasst.
Howard Carpendale hat beispielsweise mit seinen Orchesterversionen Großartiges geschaffen. Wir dachten uns auch, wir machen es nochmal neu. Erst wollten wir die alte Gesangsspur auf neue Musikspuren mischen. Aber wir entschieden uns, alles neu zu machen. Dafür haben wir uns die Zeit dann einfach genommen.“
Ihr seid beim „Free ESC“ bei Stefan Raab schon mal für Polen angetreten. Wäre auch der „echte“ ESC und für Deutschland anzutreten, eine Option?
„Wir sind immer ESC-Fans gewesen. Wenn man sich aber die heutige Entwicklung so anschaut, dann muss man die ganze Sache eher kritisch betrachten. Es kommt leider nicht mehr auf den Song und die Performance an. Heute gewinnen ausgefallene Masken und Kostüme. Bei so etwas verliert für mich selbst der ESC seinen Glanz.
Vielleicht denken wir da ein wenig zu oldschool, da sich die Welt weiterentwickelt und die Jugend viele Dinge etwas anders sieht. Aber ich finde es schade, wenn eine traditionelle Veranstaltung so aus dem Ruder gerät. Wenn ich ehrlich bin, habe ich die letzten drei ESC-Shows nicht mal mehr geschaut.“